Nach langem Zögern habe ich mich entschlossen, meine Empfehlungen für das kontrollierte Füttern von Stadttauben weiterzugeben. Auch wenn die Stadt keine kontrollierten Fütterungsplätze genehmigt,
sollten sich Taubenfütterer an gewisse Grundregeln halten, um die Tauben vor Unfällen und Übergriffen zu schützen und
Taubenfeinde nicht übermäßig zu provozieren.
Ich möchte meinen Überlegungen zur Fütterung von Stadttauben zwei Vorbemerkungen vorausschicken:
Zu meinen mit der Stadt Augsburg vertraglich festgelegten Aufgaben gehört auch die Beratung der Bürgerinnen und Bürger bei Problemen mit Stadttauben. Seit 20 Jahren habe ich mehr als 400,
für die Stadtverwaltung dokumentierte, Beratungen telefonisch, meistens aber vor Ort durchgeführt. Unter den Beschwerden waren auch zahlreiche Hinweise auf wildes Füttern und die daraus
resultierenden Folgen für die Nachbarschaft. Ich war mit einem Fall konfrontiert, wo eine Taubenfreundin in ihrem kleinen Garten regelmäßig Tauben fütterte. Etwa 150 Tauben warteten täglich auf
dem Nachbargebäude auf das Futter und verkoteten dabei das Dach, die Dachrinne und das Vordach über der Eingangstüre erheblich. Da die Frau auf Bitten der Nachbarn das Füttern nicht einstellte,
beauftragten diese einen Anwalt. Ich setzte mich erfolgreich für eine friedliche Lösung ein. Die Frau stellte das Füttern ein, ihr Mann und ihr Sohn beseitigten den Taubenkot am
Nachbargebäude. Die Tauben büßten leider ihre Futterquelle ein.
Meine Frau und ich zogen im Laufe der Jahre mit Aufzuchtspritzen hunderte von Nestlingen und Jungtauben auf, die wir aus Abbruchhäusern, Dachböden, unter Brücken und aus
Unterführungen herausholten. Wir richteten einen großen Kellerraum unseres Hauses mit zwei Volieren ein. An einem Tag wurden uns einmal 48 Tiere übergeben die unter einer Brücke über einen
Kanal der Firma MAN lebten. Was uns verblüffte war, dass fast alle eingesammelten Nestlinge und Jungtauben volle Kröpfe hatten, obwohl in allen genannten Fällen weit und
breit kein Taubenfutter ausgestreut wurde. Wir zogen die Tauben bis zur Selbständigkeit auf und setzten sie anschließend in einen betreuten
Taubenschlag.
Aufgrund meiner langjährigen Beobachtung von Tauben im Stadtgebiet, der Betreuung von Taubenschlägen und Fütterungsplätzen bin ich, was das Füttern von Stadttauben betrifft, zu
folgender Überzeugung gekommen:
Stadttauben müssen ganzjährig mit artgerechtem Körnerfutter (Weizen, Mais, Erbsen, Kleinsaaten) in Taubenschlägen oder an kontrollierten Fütterungsplätzen versorgt werden. Die Stadttauben
mutieren zwar immer mehr zu Allesfressern, man weiß aber nicht, wie der Organismus darauf reagiert. Ausreichend sind die Essensabfälle mit Sicherheit nicht, vor allem im Winter.
Die Forderung von Taubenschützern nach Aufhebung des Fütterungsverbots wird nie zum Erfolg führen. Mir ist keine Kommune bekannt, die es jemals getan hätte oder tun würde. (Angst, die
Glaubwürdigkeit zu verlieren)
Stattdessen sollten Taubenschützer in ihren Kommunen mit sachlichen Argumenten kontrollierte Fütterungsplätze einfordern.
Folgendes
dazu:
a) Der örtliche Verein schlägt der zuständigen Stadtverwaltung mehrere zuverlässige Personen namentlich vor, die in der Lage und bereit sind, längerfristig
Tauben an festgelegten Plätzen zu
füttern.
b) Als Standorte geeignet sind Grünanlagen im innerstädtischen Bereich, insofern sich Tauben in der Nähe bereits aufhalten. Nicht geeignet sind Plätze in
der Fußgängerzone, vor Geschäften, auf öffentlichen Plätzen, auf Gehsteigen, in Wohnanlagen, vor Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern. An betreuten Taubenschlägen darf in einem Umkreis
von etwa 200 Metern Radius nicht gefüttert werden, da die Tauben den Schlag nicht annehmen oder sogar wieder verlassen (eigene
Beobachtungen).
c) Die Tauben müssen täglich zur gleichen Zeit gefüttert werden, entweder am Vormittag oder am frühen Nachmittag. Am Abend oder nachts darf kein Futter
ausgebracht werden, weil man damit Ratten anlockt. Wer sich einmal klar macht, welch qualvollen Tod Ratten bei den üblichen Tötungsmaßnahmen sterben, wird das zeitlich falsche Füttern (abends und
nachts)
vermeiden.
d) Es darf bei jeder Fütterung nur so viel Futter ausgebracht werden, das die Tauben in 10 bis 15 Minuten aufgefressen haben. So lange muss der Taubenfütterer vor
Ort bleiben und eventuell liegengebliebenes Futter
zusammenkehren.
e) Die offiziellen Taubenfütterer erhalten einen Ausweis, der von der örtlichen Tierschutzgruppe ausgestellt und von der Stadtverwaltung unterschrieben wird. Der
Ausweis kann bei Bedarf vorgezeigt
werden.
f) Über die Medien müssen sogenannte Taubenfreunde aufgeklärt werden, die Tauben mit falschem Futter, an falschen Orten versorgen. Dazu unsere
Beobachtungen: Gefüttert wurden Brot, zum Teil verschimmeltes, Kuchenreste, Haferflocken, Salzstangen, gekochte Teigwaren, Wurst- und Fleischreste. Gefüttert wurde in der Fußgängerzone, auf
Gehsteigen, vor Geschäften. Wir haben eine Frau beobachtet, die zwischen den Ständen des Weihnachtsmarktes Weizen ausgestreut hat. Eine andere warf Körner auf die Straßenbahnschienen, weil sie
dort eine nach Futter suchende Taube gesehen hatte. Da diese Art von Fütterern oft uneinsichtig ist, sind die Chancen leider gering, ihr Verhalten zu beeinflussen.
In Augsburg haben wir mit kontrollierten Fütterungsplätzen gute Erfahrungen gemacht.
So wichtig es ist, dass Tauben ganzjährig kontrolliert gefüttert werden, so muss man sich doch eingestehen, dass man die Taubenpopulation damit vermehrt. Deshalb müssen Stadtpolitik und
Stadtverwaltung unermüdlich aufgefordert werden, Standorte für Taubenschläge zur Verfügung zu stellen. In betreuten Taubenschlägen können Tauben ein stressfreies Leben führen. Sie haben
artgerechtes Futter, frisches Wasser, Nistzellen und sind geschützt vor Unfällen und Übergriffen. Durch Ersetzen der frisch gelegten Eier durch Attrappen kann man die Population langfristig
beeinflussen.
Mit herzlichen Grüßen
R. R.